Jessica Marie
28.12.1998
Als ich mit meinem 5. Kind in der 17. Schwangerschaftswoche war, erfuhr ich, dass mein Baby eine schlimme Fehlbildung
hatte: Anenzephalie. Der Grossteil ihres Gehirns und der obere Teil ihres Schädels hatten sich nicht entwickelt. Wir
verliessen die Arztpraxis völlig durcheinander und schockiert. Was sollten wir machen? Unsere Tochter würde sterben!
Sollten wir die Schwangerschaft unterbrechen?
Wir fuhren nach Hause und nach langem Beten und gegen den Ratschlag des Arztes, entschlossen wir uns das Baby zu
behalten. Schliesslich war sie immer noch unser wertvolles, kleines Baby, auch wenn sie einen "gebrochenen Kopf" hatte
(so haben wir unseren Grossen die Anenzephalie erklärt). Viele Leute stimmten unserer Entscheidung nicht zu und konnten
unser Bedürfnis nicht verstehen, unsere Tochter in unseren Armen halten zu wollen, wenn es auch nur für einen kurzen
Moment sein würde. Für sie war sie unperfekt, aber nicht für mich. Oh ja, das Herz einer Mutter sieht was den Augen
verborgen bleibt!
Im 8.Monat fand ich einen neuen Arzt, der sehr einfühlsam war. Er verstand unser Bedürfnis, Jessica nach ihrer Geburt zu
halten. Zum ersten Mal seit dem Tag der Diagnose, fühlte ich mich wieder wie eine schwangere Mutter.
Es waren 6 lange Monate, während denen wir uns mit der Geburt und dem Tod unserer Tochter beschäftigten, aber ich war
dankbar dass wir um ihren bevorstehenden Tod wussten. Jeder Fusstritt, jede ihrer Bewegungen erinnerten mich daran,
dass sie immer noch da war. Sogar ihre Brüder und Schwestern konnten sich an ihr erfreuen, während ich sie in mir trug.
Sie sangen ihr Lieder und lasen ihr vor, sprachen zu ihr und umarmten sie. An Halloween bemalten sie meinen Bauch wie
einen Kürbis, damit auch sie mitfeiern konnte.
Es störte mich nicht einmal, als ich viel zuviel Fruchtwasser entwickelte und die letzten 6 Wochen nur fast sitzend
schlafen konnte. Ich freute mich an unserer gemeinsamen Zeit so gut wie möglich. Wir erwarteten unser kleines Mädchen
auf den 17.Dezember, hofften aber sie würde bis nach Weihnachten warten
Am 28.Dezember, fast in der 42. Schwangerschaftswoche, gingen wir in die Klinik, um die Geburt einzuleiten. Ich hatte
gehofft und gebetet, dass meine Tochter lebend auf die Welt kommen würde. Ich wollte sie so sehr wenigstens einmal
atmen sehen... ein einziges Mal fühlen, wie sie meinen Finger drücken würde... ihr einmal in die offenen Augen schauen
können. Mein Wunsch erfüllte sich leider nicht. Sie hörte auf sich zu bewegen, nachdem der Arzt meine Fruchtblase zum
Platzen gebracht hatte. Ich wusste in meinem Herzen, dass sie nun von uns gegangen war.
Sie war das kleinste meiner Babies, aber das am schwersten zu gebärende. Ich glaube, dass ein Teil von mir sie nicht
gehen lassen wollte. Als sie geboren war, legte mir sie der Arzt auf den Bauch. Ich schaute auf ihre wohlgeformten
Füsse, ihre perfekten kleinen Beine, ihren Bauch, ihre Arme, ihre süssen Lippen und das kleine Gesichtchen.
Sie war wunderschön!
Ja, sie litt an Anenzephalie, aber sie war wunderschön !
Ich drückte sie an meine Brust, sie fühlte sich so wunderbar an in meinen Armen. Während 15 Stunden behielt ich sie bei
mir. Ich trug sie, schaukelte sie, sang ihr unser Lied vor und gab ihr so viel Liebe, wie nur möglich. Auch wenn meine
Arme jetzt leer sind, lebt sie weiter in meinem Herzen. Sie wird für immer unserer besonderer Engel bleiben.
Viele Leute fragten uns: "Weshalb musste das geschehen?" Natürlich haben wir uns das auch gefragt.
Ich weiss, dass Gott uns liebt und dass das Leben von jedem von uns einen Sinn hat. Es kommt dabei nicht auf die Rasse
an, noch auf den Glauben, das Geschlecht, ob wir "normal" oder behindert sind oder gar einen "gebrochenen Kopf" haben.
Gott liebt uns alle.
Was war der Sinn von Jessicas Leben ?
Bevor ich schwanger wurde, bat ich Gott, aus mir einen besseren Menschen und eine bessere Mutter zu machen. Durch
Jessica bin ich es geworden. Ich schätze alles so viel mehr jetzt. Ich kann anderen betroffenen Müttern helfen. Ich
denke, dass Jessica vielleicht die Antwort auf meine Gebete war. Natürlich würde ich sie lieber bei mir haben, aber ich
weiss, dass Gott sie nicht nur für das Leben auf Erden geschaffen hat, sondern für die Ewigkeit. Mein Mann und ich
denken, dass sie wahrscheinlich das glücklichste unserer Kinder ist. Sie wird niemals Schmerzen empfinden, weder
körperliche noch seelische. Sie wird niemals schwierige Lebenssituationen zu meistern haben. Sie wird nur
Liebe kennen: reine, uneingeschränkte Liebe! Sie wird ewig in Gottes Reich und völlig vollkommen sein.
Wir freuen uns jetzt schon auf den Tag, wo wir wieder vereint sein werden.
Tammy
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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 23.02.2019