Marie Joy
Wir schreiben diese Zeilen mit dem Wunsch, dass es euch allen, die es lesen,
zur Ermutigung dienen darf.
Im Mai vergangenen Jahres erfuhren wir, dass unser 3. Kind Anenzephalie hatte
und dadurch nicht lebensfähig war. Mein Mann und ich wurden darauf hingewiesen,
dass wir ein paar Tage Bedenkzeit hätten um über einen Abbruch nachzudenken
oder die Schwangerschaft fortzuführen.
Wir sind Christen und mein erster Gedanke war - es steht mir nicht zu über Leben
und Sterben zu entscheiden. Unser treuer Vater im Himmel weiss, wann der letzte
Tag unseres Kindes sein wird. Mein Mann bekam in dieser Situation einen
Bibelvers geschenkt, der uns bestärkte unser Kind weiterzutragen.
In der 15. SSW erfuhren wir, dass wir ein Mädchen erwarteten und sie bekam den
Namen Marie Joy. Er bedeutet, die von Gott Geliebte und Freude. Und das brachte
sie in unser Leben - so viel Freude!
Die Monate der Schwangerschaft vergingen. Es war nicht immer einfach. Es gab
auch Zeiten der Verzweiflung und Traurigkeit und auch Zeiten in denen uns
Unverständnis über unsere Entscheidung entgegen kam und uns Menschen
mieden. Doch unser Vater hat uns immer wieder aufgeholfen - sei es durch einen
lieben Anruf eines Bekannten, der uns ermutigte, ein Lied - oder ein Bibelvers,
durch unsere zwei Söhne oder durch unsere kleine wundervolle Marie Joy.
Unser Arzt machte uns nicht viel Hoffnung Marie lebend in den Armen zu halten.
Aber am 30.Oktober 2024 um 22.55 Uhr kam unser drittes Wunder zur Welt und
sie lebte - was für ein Geschenk. Wir durften sie bis um kurz nach Mitternacht
lebend in unseren Armen halten bevor sie heim zu unserem Vater im Himmel ging.
Ich möchte euch einen kleinen Einblick darüber geben wie wir Maries Geburt erlebt
haben.
Am 29.Oktober hatten wir einen Termin in der Klinik. Der Arzt berichtete, dass
Komplikationen aufgetreten seien und wir einleiten müssten obwohl der
Entbindungstermin erst auf Ende November terminiert war. Ich wollte nicht
eingeleitet werden, da ich der festen Überzeugung war, dass Gott entscheidet
wann... Schweren Herzens entschieden wir uns für eine Einleitung am 31.Oktober.
Unser ältester Sohn hat am 30.Oktober Geburtstag und für ihn war es sehr wichtig,
dass Marie bis zu diesem Tag noch leben sollte. Er wollte unbedingt mit seiner
Schwester feiern. Wir dachten uns - noch einen wunderschönen Familientag mit
Geburtstag mit allen zusammen bevor ich eingeleitet werde.
In der Nacht auf den 30. Oktober war ich sehr unruhig und konnte nicht schlafen.
Am Morgen gab es ein Geburtstagsfrühstück und plötzlich hatte ich Schmerzen
und merkte, dass ich Blutungen habe. Es herrschte Chaos - wir wollten doch nur
einen Tag noch gemeinsam zu fünft haben... ich musste in die Klinik.
Wir brachten unsre Jungs zu den Grosseltern und ich sagte zu meinem Grossen:
"Ich muss jetzt ins Krankenhaus und vielleicht kommt heute auch deine Schwester
zur Welt."
Er antwortete: "Dann wäre das ja Maries Geburtstagsgeschenk für mich - das
fänd ich schön."
Mir kamen die Tränen - was für ein Blick doch unsre Kinder haben dürfen. Ich war
einfach nur dankbar.
In der Klinik angekommen herrschte ein totales Chaos. Wir wurden von einem
Raum in den nächsten geschoben bis schliesslich eine Ärztin mich untersuchte und
sofort einleiten wollte... ich betete - Oh Herr - mehr Worte schaffte ich nicht. Dann
kam noch eine Hebamme hinzu, die mich ebenfalls untersuchte. Sie schaute mich
ruhig an und meinte: "Das macht keinen Sinn sie jetzt einzuleiten. Ich habe hier
schon 6 "eingeleitete Frauen" und muss auch noch Kapazität für den
Normalbetrieb haben. Wir nehmen sie stationär auf und vielleicht werden Sie
gegen Spätmittag/Abend eingeleitet." Wir wurden auf die Schwangerenstation
verlegt.
Ich war so dankbar nicht sofort eingeleitet zu werden aber zugleich war ich traurig
nicht den Geburtstag unseres Sohnes feiern zu können. Wir wollten doch nur noch
einen Tag als komplette Familie mit Marie haben - warum durfte es nicht sein? Ich
begann auf dem Zimmer zu weinen. Mein Mann nahm mich in den Arm: "Gott hat
uns bis jetzt so wunderbar geführt und getragen und Er wird damit jetzt nicht
aufhören!"
Ich wurde ruhig.
Um kurz nach 14 Uhr kam eine Hebamme auf unser Zimmer. Sie
nahm sich Zeit für uns, weinte mit uns und sagte dann: "Ich glaube eure Kleine,
weiss genau wann ihre Zeit ist - sie wird es entscheiden."
Diese Hebamme war für mich die Bestätigung, dass unser HERR mit geht - Er
lässt und jetzt nicht alleine.
Ich bekam stärkere Wehen über den Nachmittag. Am frühen Abend gingen wir
spazieren und ich merkte wie die Intensität der Wehen zunahm. Ich bat eine
Hebamme mich zu untersuchen. Gegen 18:30 Uhr kam sie auf das Zimmer,
untersuchte mich, lächelte mich an und meinte: "Sie sind schon bei 4 cm - sie
werden definitiv nicht mehr eingeleitet. Ich werd Sie im Kreisssaal anmelden."
Ich weinte nur noch - wie gut ist doch unser Vater um Himmel - Maries Geburt
begann ohne Einleitung.
Da morgens so viel Trubel im Kreisssaal herrschte und wir von den vielen
eingeleiteten Frauen wuöten, stellten wir uns auf ein Chaos im Kreisssaal ein.
Als wir gegen 20:30 Uhr in den Kreisssaal verlegt wurden war es so still.
Wir waren sehr verwundert.
Während der Geburt standen uns eine
Hebammenschülerin, die sich im letzten Jahr ihres Studium befindet und eine
ausgebildete Hebamme zur Seite. Die Studentin war so lieb und tat alles, damit wir
es so angenehm wie möglich hatten. Während der ganzen Zeit spürte ich Marie
kicken und war einfach nur dankbar, dass sie noch lebte.
Um 22.55 Uhr kam unsre
kleine Marie lebend zur Welt. Unsre kleine Maus hatte sogar ganz kurz die Augen
offen. Ich bekam sie sofort auf meine Brust gelegt und so sahen wir unsre Tochter
zum ersten Mal. Sie war wunderschön und sah so friedlich aus.
Um 23 Uhr war
Schichtwechsel - doch die Studentin blieb kurz alleine bei uns. Sie schaute uns an
und sagte: "Ich bin Christ." Wir antworteten: "Wir auch." Sie erwiderte:"Das habe
ich mir schon gedacht. Wenn es für euch ok ist, dann würde ich jetzt gerne für
euch beten und eure kleine Marie segnen."
Mein Mann und ich konnten unsre Tränen nicht mehr zurückhalten. Wie sehr hatten wir gebetet,
dass eine Schwester im Glauben uns während der Geburt begleitet
und nun war sie für uns unbemerkt die ganze Zeit da
gewesen. Wir konnten nur über Gottes grosse Treue
staunen.
Um kurz nach 23 Uhr kam das Nachtpersonal zu uns. Es
waren zwei wundervolle Schwestern, die uns zu Marie
gratulierten, einen Sternenfotograf für uns organisierten und so viel mehr taten. Um
kurz nach Mitternacht um 0.03Uhr ist unsre Kleine nach Hause gegangen. Mein
Mann war so ergriffen und sagte: "Ist das nicht wunderschön, Marie hat mit ihrem
Bruder Geburtstag aber ihr Todestag ist ein anderer."
Wir durften noch so viele, für uns waren es Wunder, erleben. Aber wenn ich alle
aufzählen würde dann käme ich nie zu einem Ende. :)
Als Abschluss möchten wir euch sagen:
Marie war es wert - sie war es wert ausgetragen und geliebt zu werden. All die
Zweifel, die schweren Stunden, die Angst, die Schmerzen waren es wert.
Wir vermissen unsre Marie sehr und ich dachte nie, dass ich einen Menschen so
sehr vermissen könnte. Aber wie gross wird die Freude sein, wenn wir uns in der
Ewigkeit wiedersehen!
Unser Vater im Himmel trägt durch, dass durften wir erleben. Wir durften im
Glauben wachsen und können voller Dankbarkeit auf die letzten Monate
zurückblicken.
Gott macht keine Fehler auch wenn wir Marie so gerne bei uns gehabt hätten.
Du hast mich gesehen, bevor ich geboren war. Jeder Tag meines Lebens war
in deinem Buch geschrieben. Jeder Augenblick stand fest, noch bevor der
erste Tag begann.
Psalm 139,16
Tobias und Heike im Januar 2025
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 04.02.2025