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Ron Levi

 

Ron Levi, baby in Anenzephalie

23. - 26. März 2007

Denn wir sind gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes dich trennen kann von der Liebe Gottes...
Römer 8.38-39

Wir waren in der 13. Woche Schwanger mit unserem ersten Kind. Mein Mann würde heute zum ersten Mal den Ultraschall sehen, und wir waren voller freudiger Aufregung. Ich hatte meinen kleinen Schatz bereits in der 8ten Woche gesehen und fand es unglaublich spannend, dass dieses kleine Lebewesen wirklich schon wie ein munziges kleines Baby aussieht.

Irgendwie konnte ich nicht sagen ob ich es dem Ultraschall oder der Ärztin ansah, dass etwas nicht stimmte, aber als ich sie fragte, sagte sie, sie müsse nochmals genau hinschauen, ob wir eventuell lieber wegschauen wollten. Nein, wir wollten ebenfalls genauer hinschauen und was wir sahen hat uns ziemlich getroffen. Unser Embryo hatte keinen runden Kopf, sondern sah aus als hätte er eine Baseballmütze an. Unsere Ärztin erklärte uns, dass das die Hirnmasse ist die frei steht. Wir waren schockiert und ich brach heillos in Tränen aus. Die Ärztin hat gut reagiert und schickte uns ein bisschen in den Garten spazieren. Sie machte an diesem Tag, wie auch noch später gerne Überstunden für uns.

Im Garten überschlugen sich die Gedanken, denn wir wurden bereits damit konfrontiert, dass ein Schwangerschaftsabbruch die einzige richtige Lösung sei. Emotionell, finanziell und physisch der einfachste und auch schnellste Weg.

Mein erster Gedanke war, dass ich aber mein Kind lieber noch 7 Monate im Bauch geniessen will, als es einfach so null Komma plötzlich herzugeben. Mein Mann, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht so eine starke Bindung zu unserem Kind aufgebaut hatte und auch sonst der realistisch Denkende von uns Zweien ist, tendierte sofort auf einen Abbruch. Unsere Ärztin hat uns klar gemacht, dass es in unserem Fall keine Abtreibung sei, da es medizinische Begründungen gibt. Mein Mann und ich sind grundsätzlich gegen Abtreibung, da wir glauben, dass es Mord ist. Auch glauben wir, dass nur Gott über Leben und Tod entscheiden darf.

Im Garten beteten wir zu unserem Herrn, wir dankten ihm dafür, dass er weiss was er macht und dass er uns in seiner Hand hält. Wir warfen unsere Sorgen auf ihn und baten ihn um Führung und Weisheit.

Ich konnte an diesem Tag zu keinem Entscheid kommen, ich war so verwirrt, die Argumente für einen Abbruch waren so einleuchtend, dass ich selber nicht mehr glaubte, dass Gott etwas dagegen haben könnte, wenn wir diesen Weg einschlugen und doch gab es etwas in meinem Herz, das sich sträubte.

Ron Levi, baby in Anenzephalie

Die nächsten Tage waren irgendwie schlimm und irgendwie schön. Mein Mann und ich stützten uns gegenseitig und hielten uns aneinander fest. Wir waren überzeugt, dass wir abbrechen sollten. Vor allem sprach Gott nicht zu uns über dieses Thema. Also dachten wir er überlasse uns die Entscheidung.

Ich hatte bereits einen Termin beim "Betäubungsdoktor" für die Operation. Doch als ich dort war, kam eine solche Unzufriedenheit über mich, dass ich wusste: Ich geh hier nicht mehr hin. Gleichzeitig schrieb mir ein Freund, der nichts von meinem Termin wusste, ein SMS: "Falls du irgendwo in deinem Hinterkopf die Möglichkeit einer Abtreibung in Erwägung ziehst, habe ich den Eindruck dir zu sagen, dass dies nie Gottes Willen ist."

Danke Gott für Menschen die auf Dich hören und den Mut haben dies auch zu sagen. Nachdem dieser Kollege noch mit mir gebetet hat, stand fest ich werde diese Schwangerschaft durchziehen, komme was da wolle!!!

Heute sind mein Mann und ich so dankbar, dass wir uns so entschieden haben, denn Gott weiss wirklich was er macht.

Wir haben ihn dann noch gebeten das Kind entweder zu heilen oder zu sich zu nehmen. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass ein liebender Gott mich 9 Monate schwanger sein lässt nur um mein Kind wieder zu sich zu nehmen. Das passte einfach nicht in unseren Kopf. Als es blieb, waren wir zu 100% überzogen, dass er es heilen würde. Darum erzählten wir auch niemandem von der Diagnose.

Glücklicherweise hatten wir sowieso kurz nach der Diagnose einen 6 wöchigen Aufenthalt in Australien geplant. Auch das hatte Gott für uns eingefädelt, denn wir merkten, dass unsere Beziehung nun doch einer hohen Belastung ausgesetzt war. Es war wichtig, weit weg vom Einfluss anderer Menschen, alle unsere Ängste, Zuversichten, Schmerzen und Freuden ausdiskutieren zu können. Wir mussten lernen einander zu verstehen, uns in unserer ganzen Verschiedenheit zu respektieren. Und, Gott sei Dank, wir haben es geschafft.

Wieder zurück in der Schweiz hatten wir eine super Zeit. Wir konnten die Schwangerschaft geniessen und waren wie gesagt beide überzogen, dass alles gut kommen würde.

Als dann die Geburt näher kam, kriegte ich trotzdem schlaflose Nächte und Atemnot. Nun war es mein Mann im Gegenzug, der mir mit seinem Glauben wieder Mut machte. Ich lernte loszulassen und nicht alles unter Kontrolle zu haben. Eine Lektion für die ich dankbar bin. Geduld habe ich auch gelernt, vor allem als dann eine Woche zu früh die Wehen einsetzten, und dann einfach wieder aufhörten, kamen und gingen und ich immer nervöser wurde.

Die Geburt selber verlief super und zu meinem Erstaunen waren wir einfach nur glücklich als wir unseren lebendigen, wenn auch trotz allem Glauben, kranken Ron Levi im Arm hatten. Er hat unser Herz in Sekundenschnelle erobert. Wir freuten uns über jede Bewegung, über jeden Laut den er von sich gab. Es gab keine Zeit für Enttäuschung geschweige dann Trauer.

Wir hatten eine super Betreuung im Spital Zollikerberg und innerhalb einer halben Stunde war sogar eine Pfarrerin im Haus, die uns anbot unseren Sohn zu taufen. Obwohl wir diesen Brauch sonst nicht haben, war es ein wunderschönes Ritual, das wir dankend annahmen. Die Eltern meines Mannes waren auch schon zur Stelle und so hatten wir eine richtige kleine Zeremonie im Gebärsaal.

Ron Levi, baby in Anenzephalie

Ganze 2 Tage blieb Ron bei uns. Am ersten Tag kamen unsere nächsten Familienmitglieder und am zweiten Tag wollten wir einfach nur für uns sein. Ich wusste gar nicht wie schön ein ganzer Tag mit einem Baby sein kann. Auch in der Nacht haben wir nicht wirklich viel geschlafen, wir waren so fasziniert.

Es gab in diesen Tagen nur einen kurzen Augenblick in dem mir drohte der Boden unter den Füssen fortzugleiten. Wir waren ziemlich erschöpft von all den Familienbesuchen und hatten beschlossen doch ein bisschen zu schlafen. Mein Mann ging darum nach Hause und ich beschloss Ron ins Bettchen neben mir zu legen. Ich kriegte ein Extrabettchen, das an meinem Bett angemacht war und ich ihn so jederzeit berühren konnte. In diesem Moment, als ich ihn so liegen sah wurde mir bewusst, dass er wieder gehen würde und der ganze Schmerz brach über mich herein. Ich kriegte Angst, dass ich das nicht überleben würde, zumal ich auch ziemlich müde war und mein Körper von der Geburt mitgenommen war.

In diesem Moment hört ich in meinen Gedanken eine Stimme, die mir sagte, dass ich mir jetzt nicht Sorgen machen sollte über was morgen kommen wird, denn Gott gibt mir in jedem Moment die Kraft für das, was ist, und nicht für das Kommende. Ich hatte das Gefühl, dass ich Ron wieder zu mir nehmen sollte, egal ob ich schlafen kann oder nicht. Sobald ich ihn wieder bei mir hatte, war alle Angst weg und ich schlief sogar ein wenig.

Am nächsten Tag als mein Mann wieder kam, konnte ich sogar ganze zwei Stunder schlafen, da mein Mann seinen Sohn sowieso nicht mehr aus den Händen gab.

Um 7 Uhr abends stellte die Ärztin den ersten Herzstillstand fest. Doch unser Ron wollte noch nicht gehen er kämpfte um sein Leben und kam nochmals ganz zu sich. Dieser Moment erfüllte uns einerseits mit Freude, denn es war als wollte er bei uns bleiben, was für uns klang, als würde er uns sagen: "Es ist schön bei Euch, ich möchte bei Euch bleiben, weil ich Euch gern habe." Auf der anderen Seite baten wir Jesus ihn zu sich zu nehmen, denn jedes Mal, nach dem wir ihm durch die Magensonde zu trinken gaben, wirkte er, als hätte er Schmerzen. Und verhungern wollten wir ihn nicht lassen.

In dieser Situation hörte ich wieder die Stimme in meinem Innern:
"Was tut Ron Levi, das Du ihn so fest liebst?"
Ich sagte ebenfalls in Gedanken:
"Nichts!"
"Siehst Du und trotzdem liebst Du ihn von ganzem Herzen. Er liegt vor Dir krank und unvollkommen, aber Du bemerkst es nicht einmal. Deine Liebe ist grösser als seine Krankheit.
Genauso seid ihr Menschen vor mir.
Seine Krankheit symbolisiert eure Sünde und ich liebe euch trotzdem in euer ganzer Unvollkommenheit. Du bittest, dass dein Sohn sterben möge weil du ihn liebst, du weißt, dass es ihm nachher besser geht und dass er mit seiner Fehlbildung nicht leben kann. Er versteht das nicht und kämpft um sein Leben. Genauso muss ich euch sterben lassen in eurem Egoismus, weil ich weiss, dass es euch nachher besser geht; auch ihr könnt so nicht leben. Doch auch ihr wehrt euch dagegen und kämpft dagegen. Ihr müsst lernen zu vertrauen, dass ich alles in der Hand habe."

In dem Moment wo ich Gott um Vergebung gebeten hatte, dass ich so oft darum kämpfe meine Ehre, meinen Ruf oder eben mein Ego zu erhalten, statt auf Gottes Kraft zu warten und ihm zu vertrauen, dass er es gut mit mir meint, ist unser Sohn ganz friedlich eingeschlafen. Er hatte seinen Auftrag erfüllt. Mein Herz erfüllte sich mit Freude, einem Frieden, der meinen Verstand übersteigt. Es ist mir vorgekommen, als hätte Gott uns einen Engel geschickt nur um uns zu sagen, wie sehr er uns liebt.

Mein Mann und ich fragten uns noch oft, warum wir nie so richtig traurig werden konnten, doch irgendwie überwiegte die Freude immer wieder. Unser Leben ist reicher geworden. Wir haben dem Tod ins Gesicht geschaut und gemerkt, dass er keinen Stachel mehr hat. Er konnte uns nicht wehtun, denn wir wussten, unser Sohn ist bei Gott und nimmt seinen Platz in der Ewigkeit bereits ein.

Wir sind stolz auf ihn, und wir freuen uns, ihn eines Tages wieder zu sehen. Wir fühlen uns beschenkt mit einer unglaublichen Erfahrung.

Gott hätte Ron Levi heilen können, ein Wort hätte genügt. Es hätte ihn sicher auch mehr verherrlicht, denn die ganze Welt hätte erkannt, dass er Gott ist, doch hätten wir dann die gleiche Lektion gelernt? Hat Gott auf seinen Ruhm verzichtet, um Philip und mich über Liebe zu lehren? Wir wissen es nicht.

Wir wissen nur, dass wir eines Tages vor ihm stehen werden und dass wir endlich gecheckt haben, dass Gott sich nicht für unsere Leistungen interessieren wird, sondern dafür, wie sehr wir geliebt haben.

Philip hatte ein sehr treffendes Bild, es ist als würden wir alle auf einem Schnellzug durchs Leben rasen, und wir durften für zwei Tage aussteigen und realisieren was wirklich zählt im Leben.

Damaris

Damaris kann über den Webmaster erreicht werden.

 

Aktualisierung:
Im Frühling 2008 kam Ron Levis kleiner Bruder Len Rouven gesund zur Welt.
Im Sommer 2010 ergänzte die kleine Livyen Noé die Familie.

 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 22.03.2021